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Anwendbarkeit der Datenschutz-Grundverordnung auf Videokonferenzen in Schulen Europäischer Gerichtshof (EuGH), Urteil vom 30.03.2023 – C-34/21 


Anwendbarkeit der Datenschutz-Grundverordnung auf Videokonferenzen in Schulen
Europäischer Gerichtshof (EuGH), Urteil vom 30.03.2023 – C-34/21


Der Minister des Hessischen Kultusministeriums legte während der Covid-19-Pandemie zum Ablauf des Schulunterrichts einen rechtlichen und organisatorischen Rahmen fest. Mit diesem Rahmen wurde insbesondere für Schüler, die nicht am Präsenzunterricht teilnehmen konnten, die Möglichkeit eingerichtet, am Unterricht per Videokonferenz-Livestream teilzunehmen. Zur Wahrung der personenbezogenen Datenschutzrechte der Schüler wurde festgelegt, dass die Zuschaltung zum Videokonferenzdienst nur mit der Einwilligung der Schüler selbst oder – bei Minderjährigen – ihrer Eltern zulässig ist. Dagegen war die Einwilligung der betroffenen Lehrkräfte zu ihrer Teilnahme an dem Videokonferenzdienst nicht vorgesehen. Dies fehlende Einwilligung der Lehrkräfte ist nun streitgegenständlich. Nach Auffassung des Kultusministeriums bedurfte es eben jener Einwilligung der Lehrkräfte basierend auf der die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) konkretisierenden landesrechtlichen Vorschriften gerade nicht. Die deutschen Gerichte waren sich bezüglich der Vereinbarkeit der betroffenen hessischen Datenschutzvorschriften mit der DSGVO gerade nicht sicher, sodass diese Frage dem EuGH vorgelegt wurde.
Nach dem streitgegenständlichen Artikel 88 DSGVO können Mitgliedsstaaten spezifischere Vorschriften erlassen zur Sicherstellung der Rechte und der Freiheiten hinsichtlich der Verarbeitung personenbezogener Beschäftigtendaten im Beschäftigungskontext. Dabei werden in demselben Artikel ebenfalls zusätzliche Vorgaben genannt, die im Rahmen dessen erfüllt sein müssen, um Rechtswirksamkeit und Vereinbarkeit mit Unionsrecht beanspruchen zu können, so der EuGH. Es ist unter anderem erforderlich, wenn eine Vorschrift aus der DSGVO relativ sinn- und wortgetreu übernommen wird, diese stets auf die besonderen nationalen Bedingungen abzustimmen mit Blick auf die Personen, für die die entsprechende Rechtsvorschrift gelten soll, sodass sie gegebenenfalls auch einen abweichenden Regelungsgehalt im Vergleich zu der DSGVO-Rechtsnorm aufzuweisen hat.
Laut der Bewertung des EuGH ist der Artikel 88 DSGVO folglich dahingehend auszulegen, dass nationale Rechtsvorschriften, also vorliegend die hessischen Datenschutzvorschriften, zur Gewährleistung des Schutzes der Rechte und der Freiheiten von Beschäftigten, darunter die Lehrer, hinsichtlich der Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten im Beschäftigungskontext bei Videokonferenz-Livestreamen zwecks des Schulunterrichts unangewendet bleiben müssen, wenn sie nicht die vorgegebenen Voraussetzungen und Grenzen beachten. Eine Ausnahme ist darin zu sehen, dass die landesrechtlichen Vorschriften eine Rechtsgrundlage im Sinne des Artikel 6 der DSGVO darstellen, wonach mindestens eine der in Artikel 6 genannten Bedingungen erfüllt sein muss und den sonstigen Anforderungen der DSGVO genügen muss.
Ob die Voraussetzungen des Artikel 88 DSGVO beachtet wurden und das Land Hessen darauf verzichten konnte, die Zustimmung der Lehrerinnen und Lehrer zum Livestream-Unterricht einzuholen, muss nun das Verwaltungsgericht unter Achtung der EuGH-Entscheidung beurteilen.


 

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