Das neue Kaufrecht über digitale Inhalte und digitale Dienstleistungen

Das neue Kaufrecht über digitale Inhalte und digitale Dienstleistungen

Die europäische Warenkaufrichtlinie wurde umgesetzt. Ihr Geltungsbereich betrifft das Verhältnis von Unternehmern zu Verbrauchern (B2C-Bereich). Die damit einhergehenden Neuregelungen gelten seit dem 01.01.2022. Darunter zählen zum Beispiel die Neuregelung des Sachmangelbegriffes, die Einführung einer Sache mit digitalen Produkten inklusive einer Pflicht zur Bereitstellung von Aktualisierungen sowie die Verlängerung der Beweislastumkehr.
In den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen Waren, die als Sachen, also bewegliche körperliche Gegenstände, zu identifizieren sind. Das ist insoweit nicht neu. Weiterhin werden jedoch auch Waren mit digitalen Produkten oder digitalen Elementen erfasst. Im allgemeinen Kaufrecht (§§ 434 ff. BGB) lassen sich, wie schon angedeutet, Neuregelungen in Bezug auf den Sachmangelbegriff sowie Modifikationen im Bereich des Nacherfüllungsanspruches und des Verkäuferregresses ausmachen.
Auch im Verbrauchsgüterkaufrecht (§§ 474 ff. BGB) lassen sich Neuregelungen erkennen. In § 475b BGB (Waren mit digitalen Elementen) ist der Verbrauchsgüterkaufvertrag über Waren geregelt, „die in einer Weise digitale Inhalte oder digitale Dienstleistungen enthalten oder mit ihnen verbunden sind, dass die Waren ihre Funktionen ohne diese digitalen Inhalte oder digitalen Dienstleistungen nicht erfüllen könnten.“ Enthaltene digitale Produkte sind beispielsweise Betriebssysteme. Verbundene Produkte sind beispielsweise eine Cloud-Anbindung oder eine Software auf einem korrespondierenden Gerät. Liegt ein Mangel an der Ware selbst vor, ist die gewohnte kaufrechtliche Gewährleistung zu Rate zu ziehen. Liegt der Mangel jedoch in den mit der Ware verbundenen digitalen Produkten, kommt das neu eingeführte Gewährleistungsrecht der §§ 327 ff. BGB zur Anwendung. Dieser Verweis ist § 475a BGB zu entnehmen. Damit wurde ein neuer Vertragstyp für digitale Produkte in den §§ 327 ff. BGB eingefügt. Dieser verdient einen genaueren Blick. Die §§ 327 ff. BGB enthalten detailreiche Bestimmungen zu Leistungsmodalitäten und vor allem auch zu Mängelrechten, wodurch die vertragstypischen Bestimmungen weitestgehend verdrängt werden.

Was wird vom Anwendungsbereich der §§ 327 ff. BGB umfasst?
Grundsätzlich werden Verbraucherverträge erfasst, die die Bereitstellung digitaler Produkte durch den Unternehmer gegen Zahlung eines Preises zum Gegenstand haben.  Der Vertrag muss entgeltlich sein. Die digitale Darstellung eines Geldwertes, zum Beispiel ein E-Coupon oder elektronischer Gutschein, zählt ebenfalls darunter. Hervorzuheben ist, dass die Vorschriften auch dann gelten, wenn statt des Entgeltes personenbezogene Daten des Verbrauchers bereitgestellt werden oder dieser sich zu einer solchen Bereitstellung verpflichtet. Die Regelungen greifen jedoch dann nicht, wenn die vom Verbraucher bereitgestellten Daten vom Unternehmer nur verarbeitet werden, damit dieser seiner Leistungspflicht oder der an ihn gesetzlichen gestellten Anforderungen nachkommt. Unter die digitalen Produkte sind grundsätzlich digitale Inhalte und digitale Dienstleistungen zu zählen. Digitale Inhalte werden als Daten definiert, die in digitaler Form erstellt und bereitgestellt werden. Digitale Dienstleistungen sind solche, die dem Verbraucher die Erstellung, Verarbeitung oder Speicherung von Daten in digitaler Form oder den Zugang zu solchen beziehungsweise die gemeinsame Nutzung der Daten oder sonstige Interaktionen mit diesen ermöglichen. Dabei ist nochmal zu betonen, dass die §§ 327 ff. BGB nur für den Vertragsteil anwendbar sind, der gerade die digitalen Produkte betrifft.

Was für Verpflichtungen treffen nun den Unternehmer im B2C-Bereich?
Umfasst ist stets die Bereitstellung digitaler Produkte. Wann ist ein solches Produkt bereitgestellt? Das richtet sich nach der Unterscheidung von digitalem Inhalt und digitaler Dienstleistung. Bei digitalen Inhalten ist dies erfüllt, sobald der digitale Inhalt oder die geeigneten Mittel für den Zugang zu diesem oder das Herunterladen des digitalen Inhalts dem Verbraucher unmittelbar oder mittels einer von ihm hierzu bestimmten Einrichtung zur Verfügung gestellt oder zugänglich gemacht worden ist. Digitale Dienstleistungen sind bereitgestellt, wenn sie dem Verbraucher unmittelbar oder mittels einer von ihm hierzu bestimmten Einrichtung zugänglich gemacht worden sind. Ebenfalls ist die fortlaufende Bereitstellung auf unbestimmte sowie bestimmte Zeit erfasst. Soweit für die Zeit der Leistung nichts bestimmt ist, gilt, dass das Produkt unverzüglich bereitzustellen ist. Wichtig ist hierbei auf die Anforderungen für den Inhalt und den Umfang der Bereitstellung zu achten. Für den Inhalt ist entscheidend, um welchen Vertragstyp es sich handelt. Eine einheitliche und vom Vertragstyp losgelöste Bestimmung des Inhalts einer Verpflichtung zur Bereitstellung digitaler Produkte ist also nicht möglich. Zu unterscheiden sind insbesondere zwei Typen der Bereitstellung: Zum einen die Bereitstellung in Form einer punktuellen Übertragung. Zum anderen die fortlaufende Bereitstellung auf bestimmte oder unbestimmte Zeit, womit die dauerhafte Bereitstellung gemeint ist.

Die §§ 327 ff. BGB enthalten Gewährleistungsrechte für den Fall mangelhafter digitaler Produkte, aber auch Rechtsfolgen einer Nichtleistung in Bezug auf die Bereitstellungsverpflichtung, die für den Unternehmer gilt. Grundsätzlich hat der Unternehmer das digitale Produkt frei von Sach- und Rechtsmängeln bereitzustellen. Entspricht der Unternehmer diesen Anforderungen nicht, steht dem Verbraucher ein umfassendes Gewährleistungsrecht zur Seite. Solche Produktmängel liegen vor, wenn das Produkt im maßgeblichen Zeitpunkt nicht den objektiven, subjektiven sowie den Integrationsanforderungen entspricht. Die Integrationsanforderungen sind gesondert aufgelistet. Integration meint dabei die Ver- und Einbindung eines digitalen Produkts mit den oder in die Komponenten der digitalen Umgebung des Verbrauchers, sodass das digitale Produkt auch seiner Bestimmung nach genutzt werden kann. Damit ist insbesondere die sachgemäße Installation digitaler Inhalte auf dem Rechner des Verbrauchers gemeint. Der maßgebliche Beurteilungszeitpunkt ist wieder der der Bereitstellung. Geht es um einen Vertrag über die dauerhafte Bereitstellung, muss das digitale Produkt diesen Anforderungen während des gesamten Bereitstellungszeitraums entsprechen.
Was ist nun unter objektiven und subjektiven Anforderungen zu verstehen. Die objektiven Anforderungen sind genauer in § 327e Absatz 3 BGB beschrieben. Auf den ersten Blick ist erkennbar, dass hierunter einige Anforderungen zu zählen sind. Dazu gehören insbesondere auch öffentliche Äußerungen zu diesem Produkt seitens des Verkäufers und auch des Herstellers sowie der Zwischenhändler. Natürlich muss der Unternehmer auch selbst von den Äußerungen Kenntnis haben. Abweichungen von diesen objektiven Anforderungen sind in einer gesonderten Information sowie einer ausdrücklichen und gesonderten Vereinbarung über diese mitzuteilen. Wichtig ist hierbei: Die sogenannte Aliud-Lieferung, also die Lieferung einer anderen als der verkauften Sache, wird von nun an einem Produktmangel gleichgesetzt.
Zudem sind subjektive Anforderungen aufgelistet. Was ist unter dieser Art Anforderungen zu verstehen? Das Produkt entspricht den subjektiven Anforderungen, wenn es die vereinbarte Beschaffenheit aufweist, sich für den vertraglich vorausgesetzten Zweck eignet, mit vereinbartem Zubehör, Anleitung und Kundendienst bereitgestellt wird sowie die vereinbarten Aktualisierungen bereitgestellt werden. Insbesondere sind hierbei die Funktionalität, die Kompatibilität sowie die Interoperabilität erfasst. Für Waren mit digitalen Produkten gilt hiermit also insbesondere auch ein erweiterter Sachmangelbegriff, der Aktualisierungen mit einschließt. Den Unternehmer beziehungsweise Verkäufer trifft so zusätzlich eine Aktualisierungspflicht. Diese greift vor allem auch dann, wenn der Vertrag nur den einmaligen Leistungsaustausch umfasst. Dies hat zur Folge, dass Gewährleistungsrechte auch dann entstehen können, selbst wenn die Produkte bei Gefahrenübergang mangelfrei waren. Denn die objektiven Anforderungen an die Mangelfreiheit werden nur dann erfüllt, wenn der Verbraucher auch für den Zeitraum der üblichen Nutzungs- und Verwendungsdauer des Produkts über Aktualisierungen informiert wird und diese – wie oben schon einmal erwähnt – auch bereitgestellt werden. Sowohl die Dauer als auch der Umfang der Aktualisierungspflicht bleiben noch unklar. Dieser Zeitraum kann dabei durchaus den eines bisher gewohnten Gewährleistungszeitraumes übersteigen. Es können auch hier Werbeversprechen, der Kaufpreis, verwendete Materialien oder die übliche Verwendungsdauer hierbei von Bedeutung sein. Bezüglich des Umfangs sind mit großer Sicherheit funktionserhaltende Aktualisierungen sowie Sicherheitsupdates umfasst. Wichtig ist: Der Unternehmer haftet nicht für Produktmängel, wenn der Verbraucher die Aktualisierungen nicht innerhalb eines angemessenen Zeitraums vornimmt. Doch muss der Verbraucher zunächst über die Verfügbarkeit einer Aktualisierung und die Folgen einer unterlassenen Installation informiert werden. Es muss auch klargestellt werden, dass die nicht oder nicht sachgemäße Installation nicht auf eine dem Verbraucher bereitgestellte mangelhafte Installationsanleitung zurückzuführen ist. Auf eben diese Folgen ist bei jeder Aktualisierung erneut hinzuweisen.
Nun ist es grundsätzlich so, dass der Verkäufer dem Käufer die Aktualisierungspflicht schuldet. Zumeist ist jedoch der Fall, dass Verkäufer und Hersteller in der Person auseinanderfallen. Das heißt, der Verkäufer wird in der Regel auf die Mitwirkung des Herstellers angewiesen sein. Die Folge ist, dass beide Seiten darauf achten sollten durch entsprechende vertragliche Anpassungen hierauf zu reagieren. Die Verkäufer sind zudem grundsätzlich berechtigt ihre Mängelhaftung gegenüber dem Verbraucher unter besonderen Voraussetzungen einzuschränken. Dies kann zum Beispiel in der Weise geschehen, dass Abweichendes zu Updates vereinbart wird, wie beispielsweise die konkrete Festlegung von Umfang (nur bezüglich Sicherheitsupdates möglich) und Zeitraum.
Außerdem gelten besondere Regeln für die Beweislastumkehr. Auch hierbei ist zwischen der dauerhaften Bereitstellung digitaler Produkte und einer punktuellen Übertragung zu differenzieren. Bei Letzterem wird grundsätzlich vermutet, dass ein Produkt bei der Bereitstellung bereits mangelhaft war, wenn sich der Mangel innerhalb eines Jahres seit der Bereitstellung zeigt. Bei Verträgen, die auf die dauerhafte Bereitstellung digitaler Produkte abzielen, wird vermutet, dass das Produkt während der bisherigen Bereitstellung mangelhaft war, wenn sich ein Mangel im Bereitstellungszeitraum zeigt. Die Vermutung greift dann nicht, wenn es an dem digitalen Umfeld des Verbrauchers lag, welches inkompatibel war oder dies aufgrund fehlender Mitwirkung seitens des Verbrauchers nicht festgestellt werden kann. Über einen solchen Ausschluss ist der Verbraucher jedoch auch zu belehren.

Was gelten für Gewährleistungsrechte, die der Verbraucher geltend machen kann?
Die sonstigen Mängelrechte sind vergleichbar mit den allgemeinen Vorschriften des Kaufrechts. Wie im Kaufrecht werden diese über eine zentrale Norm (§ 327i BGB) aufgelistet. Dazu zählen die Nacherfüllung, die Vertragsbeendigung, die Minderung und der Schadensersatz. Dies sind grundsätzlich die herkömmlichen Mängelrechte nur angepasst auf die Herausforderungen, die bei der Bereitstellung digitaler Produkte bestehen. Zudem lassen sich noch einmal die jeweiligen Voraussetzungen und Rechtsfolgen aus den neuen §§ 327l ff. BGB entnehmen.
Dem Verbraucher steht von nun an ein Beendigungsrecht wegen Nichtleistung zu. Besteht eine fällige Verpflichtung des Unternehmers und kommt er dieser nach Aufforderung des Verbrauchers, sofern diese nicht sogar entbehrlich ist, nicht unverzüglich nach, dann besteht ein Beendigungsrecht des Verbrauchers. Ist die Verpflichtung unmöglich, greift diese Regelung natürlich nicht. Zu betonen ist, dass mit der Vertragsbeendigung nicht die Kündigung oder der Rücktritt des Verbrauchers gemeint sind. Die Vertragsbeendigung ist ein Gestaltungsrecht mit eigenen Rechtsfolgen. Des Weiteren hat der Verbraucher unter bestimmten Voraussetzungen auch einen Schadensersatzanspruch wegen der Nichterfüllung der vertragsgemäßen Pflichten seitens des Unternehmers. Auch hier gibt es Ausnahmen, doch im Grundsatz besteht das oben Gesagte.
Neben den kaufrechtlichen Gewährleistungsrechten ist der Verbraucher weiterhin zur Ausübung seiner datenschutzrechtlichen Befugnisse befugt und darf insbesondere nicht durch vertragliche Sanktionen hiervor abgeschreckt werden.

Was gilt im B2B-Bereich?
Für Verträge zwischen Unternehmern, die der Bereitstellung von digitalen Produkten, die unter die §§ 327 ff. BGB fallen, dienen, ist ein besonderer Unternehmerregress, also der Rückgriff des Unternehmers, vorgesehen. Hierunter fallen sämtliche Verträge, die ein Unternehmer mit Vertriebspartnern schließt, um einem Verbraucher das digitale Produkt bereitzustellen können. So kann der Unternehmer von dem Vertriebspartner, der sich ihm gegenüber zur Bereitstellung digitaler Produkte bereiterklärt hat, Ersatz derjenigen Aufwendungen verlangen, die ihm im Verhältnis zu dem Verbraucher entstanden sind, für den Fall, dass der Vertriebspartner die unterbliebene Bereitstellung verursacht hat. Es sind insbesondere Aufwendungen erfasst, die aus der Erfüllung von Rückerstattungsansprüchen resultieren. Aufwendungen, die zudem darunterfallen, sind jene, die der Unternehmer zur Mangelbeseitigung tätigen musste. Voraussetzung hierfür ist, dass der geltend gemachte Mangel bereits bei der Bereitstellung durch den Vertriebspartner vorhanden war. Auch bei der Verletzung der Aktualisierungspflicht besteht das Recht des Unternehmers zum Ersatz der Aufwendungen, wenn diese Verletzung durch den Vertriebspartner verursacht wurde. Eine gesonderte Vereinbarung von Aktualisierungen ist dem Vertriebspartner nicht zuzurechnen. Damit muss dieser hierfür auch nicht gegenüber dem Unternehmer haften. Wichtig ist bei diesem Anspruch auf die Verjährung zu achten. Denn dieser Anspruch verjährt schon binnen sechs Monaten. Die Verjährung beginnt entweder mit der Vertragsbeendigung durch den Verbraucher oder mit der Erfüllung des Nacherfüllungsanspruches durch den Unternehmer. Diese Bestimmungen gelten für jeden Vertrag innerhalb der Vertriebskette und sind weitestgehend auch nicht abänderbar.

Die neuen Regelungen gelten bereits seit dem 01.01.2022. Hersteller, Händler und Verkäufer sollten also das Angebot ihrer Produkte, ihre Vertragsmuster sowie die AGB an die neuen Vorgaben anpassen. Mit Blick auf die hier auszugsweise dargestellten Änderungen sollten unbedingt, angesichts der umfangreichen Aktualisierungspflicht, der Umfang von Informations- und Lieferpflichten und deren Aufteilung zwischen Händler und Hersteller in den Verträgen der Lieferkette geregelt und wenn möglich auch operative Abläufe angepasst werden. Denn nachteilige Abweichungen von den Vorschriften gegenüber Verbrauchern sind nicht zulässig und werden im Ernstfall einer AGB-Kontrolle nicht standhalten. Zudem besteht die Gefahr von Abmahnungen und Unterlassungsklagen von Verbraucherschutzverbänden, auf die sich Unternehmen gegebenenfalls einzustellen haben.