Kein datenschutzrechtlicher Schadensersatzanspruch bei Rechtsmissbräuchlichkeit Amtsgericht Ludwigsburg, Urteil vom 28.02.2023, AZ. 8 C 1361/22

Kein datenschutzrechtlicher Schadensersatzanspruch bei Rechtsmissbräuchlichkeit
Amtsgericht Ludwigsburg, Urteil vom 28.02.2023, AZ. 8 C 1361/22


Die Beteiligten stritten über einen Unterlassungs- und Schadensersatzanspruch wegen der dynamischen Einbindung einer Schriftartensammlung, namens X.Fonts. Der Beklagte teilte der Klägerin mit, dass das Programm auf ihrer Website derart installiert sei, dass unter anderem die IP-Adressen der Besucher in die USA weitergeleitet werden. Das stelle in den Augen des Beklagten, der die Seite der Klägerin mittels eines sogenannten Webcrawlers, also einer Software, die das Internet durchsucht und dabei Inhalte von Websites analysiert und indiziert, eine Persönlichkeitsrechtsverletzung dar. Die rechtsanwaltliche Vertretung des Beklagten schickte der Klägerin ein Unterlassungsschreiben und forderte eine Schadensersatzsumme in Höhe von 170,00 € gestützt auf Artikel 82 der Datenschutzgrundverordnung. So ging der Beklagte in über 200 000 weiteren Fällen vor, bei welchen dieselbe Summe gefordert wurde. Obgleich sie gezahlt wurde, wurden von dem Beklagten keine weiteren Maßnahmen veranlasst.

Das Amtsgericht Ludwigsburg (AG) lässt zunächst offen, ob der begehrte datenschutzrechtliche Schadensersatzanspruch besteht oder nicht. Denn wenn ein Anspruch gerichtlich durchgesetzt werden soll, dürfen diesem keine Einreden entgegenstehen. Sind solche Einreden gegeben, wäre der Anspruch also unabhängig seines Bestehens ohnehin nicht durchsetzbar. In dem vorliegenden Fall wurde die Einrede des Rechtsmissbrauchs hervorgebracht. Ein solcher Rechtsmissbrauch ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn mit der Geltendmachung eines Anspruches überwiegend sachfremde, nicht schutzwürdige Interessen und Ziele verfolgt werden. Dabei sind die Gesamtumstände einzubeziehen. Das AG hat zur Feststellung des Rechtsmissbrauchs Rechtsgedanken aus dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) einbezogen. Nach § 8c des UWG ist eine rechtsmissbräuchliche Geltendmachung eines Schadensersatzanspruches dann anzunehmen, wenn die Geltendmachung der Ansprüche vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder von Kosten der Rechtsverfolgung oder die Zahlung einer Vertragsstrafe entstehen zu lassen. In dem vorliegenden Fall war das Interesse des Beklagten an der Einnahmeerzielung vorrangig, während das Unterlassungsinteresse gerade nebensächlich war. Doch ist dieses gerade das Interesse, was den Schadensersatzanspruch zu begründen vermag. Den Unterlassungsschreiben des Beklagten, unter anderem gegen die Klägerin, war außerdem zu entnehmen, dass dieser mit der Geltendmachung der 170,00 € vielmehr einen Ausgleich zur Abgeltung der Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche anstrebe. Darin ist eine Art Abkauf des Unterlassungsanspruches zu sehen. Diese Praktik ist im Wettbewerbsrecht allgemein als rechtsmissbräuschlich anerkannt. Mithin ging es dem Beklagten angesichts dessen nicht vorrangig darum, weitere Datenschutzverstöße zu unterbinden, sondern Einnahmen mit dem massenhaften Verschicken solcher „Abmahnungen“ zu erzielen. Das heißt im Ergebnis, dass der Beklagte rechtsmissbräuchlich handelte, die Einrede besteht und sein Anspruch infolge dessen nicht durchsetzbar ist.