Synchronstimmen und KI

LG Berlin II, Urteil vom 20.August 2025 – 2 O 202/24



Am 20. August 2025 hat das Landgericht Berlin II mit dem Urteil Az. 2 O 202/24 eine Entscheidung gefällt, die weitreichende Folgen für den Umgang mit künstlicher Intelligenz und dem Recht an der eigenen Stimme hat. Im Mittelpunkt stand die Frage, ob die Nachbildung einer bekannten Synchronstimme mittels KI ohne Zustimmung des Sprechers zulässig ist. Das Gericht kam zu dem klaren Ergebnis: Die unautorisierte Nutzung stellt einen rechtswidrigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht dar.

Der Kläger ist ein prominenter Synchronsprecher, dessen Stimme einem breiten Publikum vertraut ist. Ein YouTuber hatte diese Stimme mithilfe einer KI nachgebildet und in mehreren Videos verwendet, die sowohl politische Inhalte transportierten als auch kommerziellen Zwecken dienten. Die Zuschauer konnten leicht den Eindruck gewinnen, der Sprecher habe persönlich an der Vertonung mitgewirkt. Diese „Zuordnungsverwirrung“ sah das Gericht als entscheidenden Punkt für die Rechtsverletzung.

Rechtlich stützte sich das Landgericht auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht, das auch die Stimme als individuelles Ausdrucksmittel schützt. Zwar ist ein ausdrückliches „Stimmrecht“ gesetzlich nicht geregelt, doch die Parallelen zum Schutz von Namen und Bildern sind nach Ansicht der Richter evident. Der Eingriff sei daher auch bei KI-Erzeugnissen möglich, wenn die Imitation so nah an das Original heranreiche, dass Dritte von einer echten Mitwirkung ausgehen könnten.

Die Argumentation des Beklagten, die Nutzung sei von der Meinungs- oder Kunstfreiheit gedeckt, ließ das Gericht nicht gelten. Ausschlaggebend war, dass die Stimmnutzung nicht der kritischen Auseinandersetzung diente, sondern in erster Linie Reichweite und wirtschaftliche Vorteile erzielen sollte. Damit überwogen die schutzwürdigen Interessen des Klägers deutlich.

Auch in finanzieller Hinsicht setzte das Urteil ein klares Signal. Das Gericht sprach dem Kläger eine fiktive Lizenzgebühr in Höhe von insgesamt 4.000 Euro zu, verteilt auf zwei Videos, sowie die Erstattung der Rechtsverfolgungskosten. Die Summe orientierte sich an marktüblichen Sprecherhonoraren und der Reichweite des betroffenen Kanals.

Die Entscheidung verdeutlicht, dass KI-generierte Stimmkopien ohne Zustimmung des Berechtigten nicht bedenkenlos eingesetzt werden können. Sie stärkt die Rechte von Künstlern und Kreativen im digitalen Raum und zeigt zugleich, dass bewährte Grundsätze des Persönlichkeitsrechts auch auf neue technische Entwicklungen übertragbar sind. Für Content-Produzenten, Plattformbetreiber und KI-Anbieter bedeutet dies, dass sie den Einsatz von Stimmen künftig mit noch größerer Vorsicht prüfen müssen.

Ob der Gesetzgeber den Schutz der Stimme künftig ausdrücklich im Gesetz verankert, bleibt abzuwarten. Das Urteil des LG Berlin II ist jedenfalls ein wichtiger Meilenstein und könnte als Grundlage für eine künftige gesetzliche Regelung dienen. Klar ist: Die Stimme ist ein zentraler Teil der Persönlichkeit – und verdient auch im KI-Zeitalter besonderen Schutz.